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Movies 2015 (4) – Birdman (oder die unverhoffte Macht der Ahnungslosigkeit)

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Jahr: 2014
Genre: Komödie
Regie: Alejandro González Iñárritu
Drehbuch: Alejandro González Iñárritu, Nicolás Giacobone, Alexander Dinelaris, Armando Bo

Worum geht’s?
Riggan Thomson erhofft sich durch seine Inszenierung eines ambitionierten neuen Theaterstücks am Broadway, neben anderen Dingen, vor allem eine Wiederbelebung seiner dahin siechenden Karriere. Zwar handelt es sich um ein ausgesprochen tollkühnes Unterfangen – doch der frühere Kino-Superheld hegt größte Hoffnungen, dass dieses kreative Wagnis ihn als Künstler legitimiert und jedermann, auch ihm selbst, beweist, dass er kein abgehalfterter Hollywood-Star ist.
Doch während die Premiere des Stücks unaufhaltsam näher rückt, wird Riggans Hauptdarsteller durch einen verrückten Unfall bei den Proben verletzt und muss schnell ersetzt werden. Auf den Vorschlag von Hauptdarstellerin Lesley und auf das Drängen seines besten Freundes und Produzenten Jake hin engagiert Riggan widerwillig Mike Shiner – ein unberechenbarer Typ, aber eine Garantie für viele Ticketverkäufe und begeisterte Kritiken. Bei der Vorbereitung auf sein Bühnendebüt muss er sich nicht nur mit seiner Freundin, Co-Star Laura, und seiner frisch aus der Entzugsklinik kommenden Tochter und Assistentin Sam auseinandersetzen, sondern auch mit seiner Ex-Gattin Sylvia, die gelegentlich vorbeischaut, um die Dinge in ihrem Sinn zu richten.

Darsteller:
Michael Keaton as Riggan Thomson
Emma Stone as Sam
Zach Galifianakis as Jake
Naomi Watts as Lesley
Edward Norton as Mike
Andrea Riseborough as Laura

Michael Keaton war der große Star in den 90er Jahren. Schon vor seinem ersten „Batman“-Film kannten und liebten ihn die Zuschauer. Seine Auftritte in „Beetlejuice“ und „Night Shift“ sind unvergesslich. Doch in den letzten Jahren hatte man das Gefühl, dass er untergetaucht ist. Keaton war nur noch in Nebenrollen zu sehen, seine letzte Hauptrolle liegt schon sechs Jahre zurück und in „The Merry Gentleman“ übernahm er auch die Regie, von daher ist das nicht besonders überraschend. Und auch sonst bekam er nur wenige Rollen mit Substanz. Nachdem man „Birdman“ gesehen hat, kann man nicht anders als die Karrieren von Keaton und seinem Charakter im Film, Riggan Thomson, zu vergleichen. Beide haben einen Superhelden gespielt und konnten seitdem ihren Erfolg mit anderen Projekten nicht wiederholen. Während Thomson kein richtiges Comeback erlebt, schwebt Keaton auf zurzeit Wolke sieben. Keaton ergattert eine begehrte Filmrolle nach der anderen, demnächst wird er in „Kong: Skull Island“ und „The Founder“ zu sehen sein, zwei Prestigeprojekte. Dem Mann ist aber der Erfolg zu gönnen, denn er liefert in „Birdman“ die beste Performance seines Lebens ab. Und auch der Film an sich ist ein Meisterwerk. den man unbedingt gesehen haben muss.

Der mexikanische Regisseur Alejandro González Iñárritu gehört zu meinen Lieblingsregisseuren. Seine bisherigen Filme waren allesamt gut bis fantastisch. All seine Filme haben eins gemeinsam und damit meine ich nicht die einzigartige Handschrift, die Iñárritu jedem seiner Werke mitgibt. Seine Filme haben sich bis dato nur mit schweren Themen beschäftigt, von heiteren Momenten keine Spur. Umso gespannter war ich auf seinen ersten Filmen mit komödiantischen Elementen. „Birdman“ ist zuallererst ein Drama, wird aber aufgelockert durch die vielen lustigen Szenen und Interaktionen der Charaktere. „Birdman“ ist ein unglaublich mutiger Film, dem alles, was er ausprobiert, auch gelingt. Iñárritu nimmt auf intelligente Art und Weise das Showbusiness auf den Arm und die Superheldenfilme, die in der heutigen Zeit so beliebt sind, werden mit einer Ohrfeige in die Schranken gewiesen. Das Drehbuch, an dem auch Iñárritu beteiligt war, ist clever, gefüllt mit intelligenten Dialogen und vielen starken Momenten. Die Charakterzeichnungen der Nebencharaktere lassen aber leider etwas zu wünschen übrig.

Michael Keaton ist Riggan Thomson. Einst ein gefeierter Filmstar, der durch seine Hauptrolle in dem Superheldenfilm Birdman alles hatte, was er sich nur zu wünschen vermochte. Doch diese Glanzzeiten sind vorbei, sein Ruhm ist nicht mehr so groß wie in seinen alten Tagen. Da beschließt er, mit einer Broadwayproduktion all seine Kritiker nochmal zu begeistern und für sich zu gewinnen. Doch die Rechnung hat er ohne sein zweites Ich, Birdman, der immer mal mit ihm kommuniziert, gemacht. Michael Keaton gibt mit diesem Film eins seiner besten Performances ab, vielleicht sogar seine beste. Ihm gelingt es, seinen Charakter als Arschloch darzustellen, mit dem man trotz alldem sympathisieren kann. Man feuert ihn regelrecht an, ein Comeback zu schaffen. Dabei gibt Keaton Riggan viel Tiefgang und bedient sich der Emotionspalette. So gut hat man Keaton lange nicht mehr gesehen. Und treffender hätte man Michael Keaton nicht casten können, denn Thomson’s Karriere ähnelt seiner Laufbahn. Die Parallelen sind vorhanden, man könnte fast denken, dass Keaton in seiner eigenen Biographie spielt. Emma Stone spielt seine Tochter Sam, die von ihrem Vater oft vernachlässigt wurde und zu Drogen griff. Nun ist sie Riggan’s Assistent und immer noch drogenabhängig, doch sie findet einen guten Freund in Mike. Stone zeigt einmal mehr, dass sie zu Hollywoods besten Jungsschauspielerinnen gehört. Sehr einfühlsame Performance und die Szene, in der sie ihrem Vater die Meinung geigt, ist perfekt gespielt. Mike wird verkörpert von Edward Norton, der einen Schauspieler in Riggan’s Theaterstück ersetzt, nachdem er von einer Lampe verletzt wurde. Endlich bekommt Norton eine Rolle, die seinem Talent gewachsen ist. Seine Performance ist klasse und fast so gut wie Keaton, doch seine Screen Time macht ihm einen Strich durch die Rechnung. Die Szenen mit Riggan sind genial, mehr wäre besser gewesen. Naomi Watts gibt eine weitere Darstellerin im Ensemble ab und ist ebenfalls überzeugend, genauso wie Andrea Riseborough und Zach Galifianakis, der zeigt, dass er mehr kann als nur den Dummen zu spielen.

„Birdman“ ist einer der besten Filme des Jahres und definitiv in meinen Top 3 meiner Lieblingsfilme (Da er in Deutschland erst dieses Jahr erschienen ist, zähle ich den Film als 2015 Release). Der Streifen ist auf so vielen Ebenen einfach fantastisch. Handwerklich meisterhaft gedreht, schauspielerisch brilliant, jongliert der Film mehrere Genres mit Bravour. Iñárritu und Kameramann Emmanuel Lubezki haben den Film so konstruiert, dass man den Eindruck bekommt, als ob der Film aus einem Shot besteht, ohne Schnitte. Natürlich ist das nicht der Fall, denn Schnitte sind vorhanden. Doch sie wurden so präzise platziert, dass man sie fast gar nicht mitbekommt. Eine Meisterleistung. Nicht viele DPs hätten das geschafft und Chivo hat einmal mehr gezeigt, dass er zu den besten DPs Hollywoods gehört. Die Art und Weise, wie der Film gedreht wurde, dient natürlich auch einem Zweck. Die Kamera verfolgt die Charaktere, speziell Riggan, und zeichnet so ein intimes Porträt eines gebrochenen Mannes, der versucht, seinen alten Ruhm wiederzuerlangen. Des Weiteren zieht der Film den Zuschauer durch die langen Kamerafahrten in seinen Bann. „Birdman“ spielt mit Elementen und lässt den Zuschauer oftmals fragen, was Realität ist und was nicht. Zudem nimmt er das Showbusiness herrlich auf den Arm und zeigt die dunkle, häßliche Seite der Industrie. Der Film spielt auch fast nur an einem Ort, nämlich einem Theater in New York. Des Weiteren ist der Score von Antonio Sanchez fantastisch. Der Drum Score passt perfekt zum Film und ist ein Spiegelbild für die Hektik, die im Theater herrscht und für das chaotische Innenleben der Charaktere. Außerdem kann man den Score mit dem Theaterleben vergleichen, das ebenfalls chaotisch ist. All diese Aspekte schaffen eine klasse Atmosphäre.
Ein weiterer besonderer Aspekt des Films ist die Tatsache, dass Keaton Birdman ist. Mit der Hauptrolle in Batman hat er seinen Karriehöhepunkt erreicht und spielte seitdem nur in wenigen guten Filmen mit. Dank „Birdman“ steht er aber wieder im Rampenlicht und ist gefragter denn je. Diese Parallelen sind faszinierend, der Zuschauer könnte fast meinen, die Biografie von Keaton anzuschauen. „Birdman“ ist ein handwerklich überragender Film, der fast alles richtig macht und Iñárritu hat zu Recht drei Oscars gewonnen.